UX Writing: Die User Experience sprachlich begleiten

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Text ist Teil des Nutzererlebnisses. Ein wichtiger sogar. Ein einzelnes Wort macht einen großen Unterschied. Das richtige Wort an der richtigen Position kann eine Interaktion hervorrufen. Das falsche dagegen Verwirrung stiften. Leider wird Text doch öfter als notwendiges Übel behandelt. Braucht man halt. Dabei gibt es sogar einen Fachbegriff für das nutzerorientierte Texten: UX Writing. Was genau gute UX Copy ist und wie das geht? Bitte hier entlang:

UX Writing – was ist das?

UX Writing, das ist Texten für ein gelungenes Nutzererlebnis. Es ist Schreiben, das sich an den Bedürfnissen und Fragen des Nutzers orientiert, wenn er durch eine App oder Website navigiert. Welche Infos sucht er? Was muss er an welcher Stelle wissen, um sich intuitiv fortbewegen zu können? UX Writing ist sozusagen das Beschriften des User Interface. Muss aber auch weitere Fragen berücksichtigen: Von welcher Tonalität fühlt sich der Nutzer angesprochen? Welche Wörter triggern Schlüsselreize? Im UX Writing versucht man mit klaren, prägnanten Formulierungen den Nerv des Nutzers zutreffen. Passend zum Mindset des Users.

UX Writing vs. Copywriting

Ich bin als Copywriter ins Online Business eingestiegen und bald darauf im Agentur-Alltag der Webbranche gelandet. Seither habe ich alles Mögliche geschrieben: SEO-Texte,  Blogbeiträge, Google Ads Anzeigen, Mailings, Social Media Posts und eben auch Website-Texte. All die Schnittstellen einer Website, die betextet werden müssen, werden häufig unterschätzt. Obendrein funktionieren sie nicht besonders gut, wenn man sie on the go schreibt, genauso wenig, wenn man sie wie Produkt-Beschreibungen oder Werbetexte angeht, also klassische Copy.

Klassische Copy beschreibt ein Produkt, informiert, weckt Begehren, stellt die unique selling points (USP) heraus, erklärt, was man mit dem Produkt erreichen kann usw. UX Texte dagegen sind Wegweiser. Sie leiten den User. Es geht darum, dass der User die richtige Information an der richtigen Stelle sieht. Sie sind auch ein bisschen Kommentatoren und Unterhalter. Wir wollen den Nutzer ja nicht aufgrund von Langeweile verlieren.

Gute UX Copy ist …

UX Copy ist klar, kurz und konsequent. Jedes Wort zählt. JEDES. Die Texte müssen unmissverständlich sein. Der User darf nicht verwirrt werden, denn verwirrte User brechen ihre Reise durch die Anwendung häufiger ab. Erfolgreiche UX Copy sorgt für eine intuitive Bedienung der Website bzw. App. Dabei steht jedes Wort an der richtigen Stelle. Gelungene Positionierung ist ein enorm wichtiger Faktor.

Gute UX Copy zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Website. Bis zum Websiteziel und auch noch durch alle nachfolgenden Touch Points. Genau dadurch beeinflusst es auch das Branding positiv. Gelungene UX Copy hat Einfluss auf Klicks, Conversions, Interaktionen und letztlich den Umsatz. So, choose the right words. For the right spot.

Gutes UX Writing…

  • … fokussiert sich auf den User.
  • … beeinflusst das Userverhalten.
  • … schärft das Branding.
  • … ist der richtige Text zum richtigen Zeitpunkt.

UX Writing ist kein Copywriting, kein Content Marketing und auch keine technische Redaktion. Es ist Schreiben für eine erfolgreiche Nutzererfahrung.

Noch mehr Tipps für gute UX Copy findest du bei Nick DiLallo.

Boldking – ein Beispiel für gelungene UX Copy

MailChimp, Slack, Google sind die typischen Beispiele für gelungene UX Copy. Mein Lieblingsbeispiel ist die Website von boldking. Die Copy ist durchweg konsistent und präzise. Design und Text harmonieren. Ausreichend Infos an den verschiedenen Touchpoints. Nie zu viel Text. Genug Whitespace, um die Infos zu verdauen. Der Text macht Spaß. Das Wording passt zur Marke und zur Zielgruppe. Sie mischen englische und deutsche Phrasen, womit sie den Nerv ihrer User treffen. Und das Beste – da spricht der Marketer in mir – die User Experience ist nicht mit dem Bestellabschluss zu Ende. Der ganze Prozess ist durchdacht und durchgestaltet: Von der Website über die Verpackung bis zur wiederholten Bestellung.

Wie geht UX Writing?

Der Prozess des UX Writing sieht im Idealfall etwa so aus: Es werden unzählige Fragen gestellt. Der User und die User Journey werden ausführlich analysiert. Es wird erstmal viel geschrieben und dann unendlich mehr gekürzt. Worte werden auf die Goldwaage gelegt. Der Designer brütet über dem Text. Ein Entwickler brütet über dem Text. Und am Ende wird am besten noch getestet.

Ohne Ziel geht gar nichts.

Alles beginnt mit dem Briefing. Das Ziel muss klar sein. Was soll erreicht werden? Soll der User einen Kauf abschließen? Soll der User vielleicht sogar wiederholt einen Kauf abschließen? Siehe boldking. Dort ist es von vornherein eingeplant, dass der Nutzer wiederkommen soll und es wird ihm leicht gemacht. Oder soll der User Kontakt aufnehmen? Ist es nur ein Ziel? Oder gibt es vielleicht ein primäres und ein sekundäres? Klär solche Fragen, umso besser wird das Ergebnis. Aber halt. Warte. Im nächsten Schritt gibt’s noch mehr Fragen…

Lern den User und die User Journey kennen.

Bevor das eigentliche Schreiben beginnt, musst du wissen, wer der Nutzer ist. Im Idealfall weißt du einige persönliche Sachen über ihn. Wie alt er ist, wie er spricht, was ihn interessiert. Vielleicht weißt du sogar, welche digitalen Produkte und Tools er so nutzt. Dann kannst du dich an deren Wording orientieren.

Danach brauchst du einen Plan, wie der Nutzer durch die Website navigieren soll und wo er hin soll (Websiteziel). Welche Aufgaben muss er dafür absolvieren? Welche Wissen braucht er dafür?

Die Analyse des User und der User Journey ist wichtig, damit UX Writing gelingen kann. Denn gute UX Copy sagt dem Nutzer genau das, was er wissen. Zu dem Zeitpunkt, an dem er es wissen muss. Nicht mehr und nicht weniger. Damit das klappt, musst du die Touch Points kennen.

Schreibe klar, kurz und konsequent.

Texte prägnant. Setz auf aussagekräftige Verben. Vermeide Nominalsierungen und komplizierte Ausdrücke. Wortspiele und Witze sind schwierig. Hängt vom Publikum ab. Schreibe schnörkellos. Lass alles weg, was nicht notwendig ist. Achte auf die Marke, da der Text diese auch repräsentiert. Gibt es zum Beispiel Wörter, die aus Branding Gründen vermieden werden oder bewusst gewählt werden?

Touch Points oder UX Writing-relevante Positionen

Klar, welche Touch Points relevant sind, ist projektspezifisch. Trotzdem gibt es ein paar Elemente, die für eine gelungene User Journey immer relevant sind. Das sind Call-to-Actions (CTAs), Menüs, Buttons und Verlinkungen.

Menüs, Buttons und Verlinkungen: Also alle Elemente, die der Navigation dienen. Texte diese mit besonderer Sorgfalt. Ein Klassiker sind Linktexte wie „Weiterlesen“ oder „Mehr erfahren“. Diese Microtexte sind präzise formuliert. Sie erwecken beim User eine Erwartungshaltung, was passiert, wenn er drauf klickt. Als UX Writer ist man sich dessen bewusst und darauf bedacht, die Erwartungshaltung auch zu erfüllen. Misslungen wäre der Prozess bei folgendem Szenario: Der User sieht den Link „Weiterlesen“. Er klickt und es öffnet sich ein Pop-Up oder eine Landing Page, auf der er erst seine Daten eintragen muss. Dann muss er in seine E-Mail wechseln, um seine Daten zu bestätigen. Danach kann er endlich weiterlesen. In dem Szenario verspielt der Linktext das Vertrauen des Users.

Call-to-Actions (CTAs): Das sind all die Elemente, die den Nutzer auffordern etwas Bestimmtes zu tun. In der Regel repräsentiert ein CTA dein Websiteziel. CTAs kommen in verschiedenen Formen daher. Es kann ein Button sein, ein Banner, ein Pop-Up, ein aside-Element. Hängt vom Design ab. CTAs sollten genauso aufmerksam getextet werden wie Navigationspunkte. Sag auch hier dem User ganz klar, was er bitte tun soll und was er erwarten darf.

Neben den Navigationspunkten und den CTAs spielen auch Einleitungstexte, Erklärtexte, Headertexte usw. eine Rolle. Diese musst du speziell für deinen Anwendungsfall analysieren und erwägen, welche Textart hier am besten funktioniert. Als Faustregel kannst du dir merken, dass Navigationsschnittstellen und Aufforderungen an den User am besten als UX Copy erstellt werden.

Probier den UX Text im Design-Entwurf aus.

UX Writing ist ein Teamsport. Im Idealfall arbeitet ein Team aus Entwickler, Designer und Texter eng zusammen. Der Designer muss den Text gut aussehen lassen und der Entwickler sorgt für die technische Raffinesse dahinter. Damit das klappt, muss der Text am besten schon im Entwurf des Projekts ausprobiert werden.

Bitte keine Blindtexte.

Designer schimpfen, wenn Sie Entwürfe mit Lorem ipsum erstellen dürfen. Zumindest in meiner Erfahrung.

Der Designer sorgt dafür, dass Inhalte gern konsumiert werden und dass Worte wirken. Dafür muss er den Texte logischerweise kennen. Auch Bilder und Icons sollten mit dem Wording harmonieren.

Andersum genauso. Ich als Texter bin ohne die Zusammenarbeit mit dem Designer aufgeschmissen. Ohne das richtige Maß an White Space sieht jeder Text alt aus und wird wahrscheinlich nicht gelesen. Auch die Typografie kann alles verändern. Ich hatte bspw. mal einen Text, der mit sehr vielen Wörtern auf W- gearbeitet hat. In der Schriftart Raleway hat der Text nicht so richtig Spaß gemacht. Typografie ist wirklich nicht zu unterschätzen.

Außerdem: Ein Kunde wird einem Entwurf immer positiver gegenüber stehen, wenn mit Textstücken gearbeitet wurde, in denen er sich wiederfindet. Lorem Ipsum-Texte können das nicht leisten.

Teste deine UX Copy.

In allen UX-Prozessen wird Testen groß geschrieben. Logisch. Schließlich steht der User im Mittelpunkt und wenn man rauskriegen will, ob für ihn etwas funktioniert, muss man testen. Am besten mit Aufgaben und Szenarien, so dass man das Nutzerverhalten beobachten kann.

Der Klassiker unter den Testtools ist Google Optimize. Eignet sich hervorragend für A/B-Tests. Ein anderes spannendes Tool ist UX Tweak. Wie bei Google Produkten kommt UX Tweak mit einem Code Snippet daher, dass du in deiner Website implementieren musst. Danach kannst du im Tool verschiedene Testszenarien einrichten. Ziemlich cool sind Videorecordings, die es dir ermöglichen, das Verhalten auf der Website anzusehen. Ein anderes Tool ist Maze, die auf ihrem Blog übrigens auch noch eine ganze Liste weiterer UX Testing Tools anführen.

FYI: Falls du ein solches Testtool auf deiner Website einbinden solltest, denk an die DSGVO.

Du willst mit mir ins Gespräch kommen?

Gern! Schreib an: lasstexten@paulineweiss.de

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